Es ist nicht Goldriesling, was glänzt…
Ich habe keine Ahnung warum es Beck’s Gold gibt. Gut, ich kann es mir denken. In Werbesprech ausgedrückt soll es „frisch, pur, echt, mild“ schmecken. Mit anderen Worten, wem das normale Beck’s zu normal und zu herb ist, der nehme bitte Gold.
Ähnlich verhält es sich mit manchen Rebsorten. Hier habe ich manchmal auch keine Ahnung warum es sie eigentlich gibt.
Auf dieser Rebsorten-Liste steht der Goldriesling ganz weit oben. Wirklich neu ist die Kreuzung aus Riesling und Courtillier Musqué Précoce nicht. Sie bereichert die Weinwelt schon seit Ende des 19. Jahrhunderts. Trotzdem hat es der Goldriesling nie geschafft ein Star zu werden. An seinen Eigenschaften im Weinberg kann es eigentlich nicht gelegen haben. Er treibt spät, ist aber früh reif. Das macht ihn frostsicher. Auch bei Klima und Boden hält er sich in seinen Ansprüchen sehr zurück. Trotzdem ertragreich, gedeiht er auch dort noch, wo andere Sorten längst die Segel streichen würden. Das gefällt den Weinbauern.
Während er beim Wachstum das Aschenputtel gibt, entwickelt er sich spätestens im Weinkeller zur Zicke. Er neigt zur Übellaunigkeit, die der Kellermeister – wenn überhaupt – nur mit den größten Anstrengungen im Zaum halten kann. Dünn und einfach sind die Gefahren. Die Ergebnisse schaffen es oft nur als Federweißer ins Glas. Trinken und schnell vergessen. Denn selbst die blumigsten Werbetexte beschreiben den Goldriesling höchstens als Terassenwein mit geringer Lagerfähigkeit.
Mit diesem Wissen könnte ich den Goldriesling für mich einfach ad acta legen. Mit einer Anbaufläche von knapp 16 Hektar in ganz Deutschland sollte man ihn einfach ignorieren können. Zu dumm nur, dass diese 16 Hektar praktisch nur in Sachsen wachsen. Also genau um mich herum. Mich umzingeln, sozusagen.
Ich habe auch lange überlegen müssen, wann ich das letzte Mal einen Goldriesling im Glas hatte. Kein gutes Ohmen. Sei’s drum, ich gebe ihm eine Chance.
Ich greife mir einen Goldriesling. Nicht blind, ich greife zu einem 2011er Qualitätswein vom Weingut Schloss Proschwitz. VDP-Weingut. Hier habe ich bislang noch keine schlimmen Überraschungen erlebt.
Nach dem Öffnen empfinde ich eine gewissen Frische. Vielleicht etwas von unreifen Bananen und einem Spritzer Limonensaft. Ich erinnere mich an Weißweinschorle. Ok, Terrassenwein. Höchstens.
Sobald er mir durch die Kehle rinnt kommt der Aha-Effekt. Schon mal versucht eine Tüte Eisbonbons zu keltern? Also diese klebrig-scharfen Dinger mit Fruchtauszügen aus Minze, Birne, Holunder. Eisbonbons. Ich schmecke Eisbonbons. Sonst nix. Kein Tiefgang.
Klar, man merkt das Engagement etwas auf die Beine zu stellen. Aber aus einem einfachen Karpatenesel kann auch der beste Kellermeister kein erstklassiges Rennpferd machen. Das zeigt sich spätestens nach einer Nacht. Geöffnet, im Kühlschrank. Dann sind auch die Eisbonbons verschwunden und ich mag ihn höchstens noch zum Kochen verwenden.
Übrigens, eine Gegenprobe von der regionalen Konkurrenz war so ernüchternd, dass wenigstens eine gewisse Sympathie für den Proschwitzer bleibt.
Vielleicht macht dieser Goldriesling Spaß. An einem schwülen Sommerabend. Oben auf einer Wiese an den Dresdner Elbschlössern, mit Blick auf die Stadt. Zu zweit. Vielleicht.
Nein, ich würde auch hier einen anderen Wein nehmen.
Dann doch lieber für die Party auf der Terrasse. Der Goldriesling als Saufwein. Saufen und vergessen. Lassen wir es dabei.
(Dieser Artikel ist so oder in ähnlicher Form vorher auf captaincork.com erschienen.)
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