Goldriesling, Gift und Galle
Vor wenigen Wochen blätterte ich mich mühsam durch diverse lokale Onlinezeitungen. Vorbei an Werbung und für mich persönlich irrelevante Themen. Doch plötzlich: Wein! Nicht das Übliche – ‚Sächsische Winzer erwarten Jahrtausendernte’, ‚Bronzene Ehrennadel für einen Meißner Wein auf einer Tierschau in Havlíčkův Brod’. Nein, die Headline lautete: „Gift im Wein – Sachsen zieht Goldriesling aus dem Verkehr“. Oh-ha.
Nun muss ich hier nicht noch einmal episch ausführen, dass ich kein Freund des Goldrieslings bin, der Reiswaffel unter den Rebsorten. Welche wohl nur deswegen zum Maskottchen des sächsischen Weinbaugebietes wurde, weil sie niemand anderes haben wollte. Und welche uns nun als Rarität und Frühstückswein zu empfehlen versucht wird. Was für ein Start in den Tag.
Wie dem auch sei, ich gluckste vor mich hin. Aus oben genannten Gründen.
Das sahen (und sehen) einige Winzer und deren Vertreter natürlich anders. Klar. Nach ein paar Schreckstunden, zeigte man sich entsetzt. Natürlich über den Artikel und dessen Verfasser. In guter, alter sächsischer Tradition, die Schuld bei anderen suchend. Zwar hatte der Redakteur nichts Falsches geschrieben, trotzdem. Und zur Art und Weise des Artikels: Willkommen im Medienzeitalter! Als Reaktion rief mancher Kollege trotzig zum Frühstücksweinsaufen auf. Korken raus und Prost.
Und dann wurde es mächtig still. Die Ereigniskette lief nun ungefähr so ab. Beim Winzer Jan Ulrich, nein, das ist nicht der ehemalige Radfahrer mit gewissen Drogenproblemen, wurde das im Weinbau verbotene Dimethoat in Trauben gefunden. Selbige kamen allerdings von einem Zulieferer. Welcher auch zuerst unschuldig schien. Natürlich. Auf Facebook, DEM Meinungsmedium, wurde auch hier und da Absicht vermutet. Neid, vermutlich. Nicht vom Winzer, nicht vom Traubenerzeuger. Sondern von außerhalb. Um die Konkurrenz aus Sachsen in die Knie zu zwingen. Ich vermute mal, die Moselwinzer. Und Absicht war es tatsächlich. Nur eben doch von oben genanntem Zulieferer, der das Zeug selbst eingesetzt hatte. Merkt ja keiner. Dachte man wohl.
Doch so langsam weitete sich die Sache aus. Als nächstes war der Müller-Thurgau dran. Und selbiger war sogar schon abgefüllt. Dann wurde die Nummer größer. Denn auch bei der Winzergenossenschaft Meißen, der mit Abstand größte Betrieb im Tal der Raritäten, wurde man fündig. Gleicher Verursacher, vermutlich.
Und seit dem rumort es mehr oder weniger öffentlich in der hiesigen Winzerszene. Verständlich, irgendwie. Man muss kein Insider sein, um zu erkennen, dass es beim sächsischen Wein nicht längst so rund läuft wie offiziell zugegeben. Qualitäten, welche nicht immer den Preisen entsprechen und ein Image… Aber, dazu kommen wir noch.
Da überrascht das reiche Angebot an sächsischen Winzerglühwein zum Jahresendfest nicht wirklich. Das hat was von Trüffeln bei Aldi. Wobei der Vergleich natürlich hinkt. Und nicht alles was hinkt, bekanntlich ein Vergleich ist. Apropos, Aldi. Vor kurzem noch, konnte die Winzergenossenschaft ihren Rivaner bei der Deutschen liebster Handelskette unterbringen. Aber das hat sich mittlerweile auch erledigt.
Dass inzwischen ein drittes Weingut positiv getestet wurde, scheint nur noch eine Randnotiz zu sein. Schließlich ist der aus dem Verkehr gezogene Wein nicht in den Handel gelangt.
Also bleibt man auf Linie und hält sich bedeckt. Man pfeift offiziell und gemeinsam ruhige Lieder im dunklen Weinkeller. Wir machen das schon. Irgendwie. Kopf in den Sand und warten bis nichts mehr kommt. Hauptsache der Ruf wird nicht bekleckert.
Dabei ist der doch gar nicht schlecht. Man hat nämlich gar keinen. Wenn man sich nach 25 Jahren immer noch freut, dass sich auf Weinmessen Besucher „positiv über die Qualität der Weine“ äußern und das Thema Dimethoat ja nur am Rande… und so… und überhaupt… Dann geht das für Mecklenburg oder die Niederlande ja noch in Ordnung. Aber nicht für eine Region, welche seit 25 Jahren als Weinanbaugebiet erst genommen werden will.
Also, wie weiter? Schwer zu sagen. Vielleicht lohnt ja ein Blick zum Nachbarn. Nach Saale und Unstrut. Dort haben sich Winzer unter dem Dach von Breitengrad 51 zusammengefunden. „Eine(r) Nomenklatur für trockene Weine, aufbauend auf der Herkunft eines Weines, macht mitunter verwirrende Untergliederungen der Qualitäten in Prädikate, Sterne, Trauben etc. überflüssig. Je spezifischer die Lage auf dem Etikett gefasst, desto hochwertiger der Wein.“ Mit anderen Worten, man setzt auf hohe Qualität.
Vor einigen Jahren erzählte mir Matthias Hey, einer der Initiatoren, dass man sich durchaus vorstellen kann, auch Winzer aus Sachsen aufzunehmen. Der Breitengrad 51 würde ja schließlich auch Sachsen kreuzen. Bislang wuchs man zwar stetig, blieb aber unter sich. Warum dem so ist, darf sich bitte jeder selbst ausmalen.
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