Messen auf Schloss Proschwitz

Proschwitz

Ich habe ein etwas gespaltenes Verhältnis zu Messen. Die Nähe zum Worten Massen ist bestimmt kein Zufall. Massen von mehr oder weniger interessierten Leuten schleppen sich übers Gelände und stehen einem meistens auf den Füßen oder wenigstens davor. Das ist beim Wein leider nicht anders. Dummerweise sind Weinmessen immer eine gute Gelegenheit alle wichtigen und unwichtigen Personen in Schlagweite zu haben. Da aber eben auch alle Personen da sind verliere ich immer gerne den Überblick und bin am Ende des Tages einfach nur satt.

Als guter Kompromiss bieten sich da Hausmessen an. Dumm nur, dass dergleichen immer weit entfernt von mir stattfinden. Und da ich hier auf dem Schiff ausschließlich mit Dörrfleisch entlohnt werde, keine einfache Sache. Erschwerend kommt hinzu, dass die sächsischen Winzer oft gar keine Notwendigkeit für Hausmessen sehen. Das ist so wie bei Apple. Die lassen sich auch auf keinen Messen sehen und die Kunden stehen am Tag der Verkündung trotzdem in Horden vor der Tür.

Der persönliche Prinz

Aber dieses Mal habe ich Glück. Prinz zur Lippe und damit Schloss Proschwitz hat zur Audienz geladen. Sowas lasse ich mir nicht entgehen.
Ein sonniger Tag. Ich habe Zeit, muss nicht hetzen. Das sind geradezu ideale Voraussetzungen. Ich schlendere durch den Park herunter zum Schloss. Am Eingang, freundlicher Empfang: „Presse? Da können Sie doch gleich durchgehen!“ Das kenne ich auch anders, hier geht’s mit „sächs’scher Gemietlischkeit“.
Zuerst die Pflicht. Pressekonferenz im kleinen Kreis mit Erfrischungen von der Prinzessin höchstpersönlich gebracht. Die wissen hier wie man mich kriegt.
Bei der Aussage des Prinzen „Mir ist schon klar, dass man damit… (mit Weinanbau in Sachsen) nicht reich wird.“ weitete sich mein Herz aber doch kurz zu einem saftigen Steak. So was ist ja bekanntlich relativ, aber es gibt fast keinen Winzer im Tal, von dem ich diesen Satz in der einen oder anderen Form noch nicht gehört habe. Aber dann habe ich mich wieder verfangen in dem Gedanken, ob sich das silberne(?) Logo auch an meinem Jackett so gut machen würde. Falls das jetzt nach langer Weile geklungen hat, muss ich leider widersprechen. Ich bin zu solchen Gedanken durchaus fähig ohne den Anschluss zu verpassen.

Endlich auch Schraubverschlüsse. Teilweise

Doch dann waren die Weine dran. Ja, endlich. In einer schönen Bandbreite, wie man sie im Handel eher selten sieht. Die Scheurebe 2011 ist zum Beispiel innerhalb eines Tages ausverkauft gewesen. Gut, wo fange ich an. Vielleicht bei den Verschlüssen. Hier gibt es etwas Neues. Die Gutsweine kommen jetzt mit Schraubverschlüssen(http://de.wikipedia.org/wiki/Schraubverschluss#Schraubverschluss_bei_Wein). Das freut mich, denn noch vor wenigen Jahren hatte man sich in Proschwitz noch eindeutig hinter den Naturkork gestellt. Damit sollten auch die unerträglichen Kunststoffdinger der Vergangenheit angehören, die man hier und da noch bei einigen Basisweinen verwendet  hatte. Allerdings bleibt es bei den „reiferen“ Weinen noch beim alten. Offiziell, weil es dazu keine Alternative gäbe. Aber auch hier spielt die konservative Gastronomie eine gewichtige Rolle mit, die es nicht schafft, schaffen will, von alten Denkweisen abzulassen und dies auch den Kunden rüber zu bringen.

Gut, zu den Weinen. Ich fange mit einem 2010er Weißburgunder Weingut Schloss Proschwitz an. Nicht schlecht für das eher schlechte Jahr 2010. Fruchtig, frisch, reifer Pfirsich mit einer leichten Säure und ein paar schönen Steinen im Gepäck. Hier schlägt der Granitboden durch. Den 2011er Jahrgang hänge ich gleich hinten dran. Auch wenn es einem Weingut mit rund 100 Hektar ganz gut gelingt auch eher schlechtere Jahrgänge wie 2010 irgendwie hinzubekommen, merkt man hier doch mehr Fülle. Das Paket ist einfach runder. Sehr interessant finde ich den 2011er Kloster Heilig Kreuz. Nur ein paar Hundert Meter entfernt, auf den anderen Elbseite gelegen, ist der Weißburgunder noch einmal von einem anderen Kaliber. Deutlich komplexer, auch irgendwie reifer, schmelziger. Obwohl ich hier nur eine Fassprobe habe.
Ein ähnliches Spiel bei den Grauburgundern, nur in einer leicht anderen Konstellation. Diesmal alles 2011er Jahrgänge. Der Grauburgunder Weingut Schloss Proschwitz ist ziemlich knackig. Ananas, Quitte mit einer geradlinigen Säure. Allerdings nicht unbedingt staatstragend komplex. Der nächste Grauburgunder ist ein Schloss Proschwitz Spätlese, also kein Gutswein und auch nur als Fassprobe(http://www.wein-plus.de/glossar/Fassprobe.htm). Er hat mehr Bums unter der Haube, ist wiederum runder und cremiger, ohne dabei unterwegs seine Säure zu verlieren. Als letzten in der Runde gibt es Kloster Heilig Kreuz Spätlese. Auch hier ein Unterschied zu den rechtselbischen Brüdern. Aber mit etwas mehr Säure(http://de.wikipedia.org/wiki/Säure_(Wein)) und herber Frucht, sind die Unterschiede nicht ganz so groß wie bei den Weißburgundern.

Sächsischer Riesling goes New York. Beinahe

Komme ich zu den Klassikern. Deutscher Riesling. Sehr angesagt in US and A, denn auch der Prinz hätte komplette Jahrgänge Richtung New York(http://de.wikipedia.org/wiki/New_York_City) verkaufen können. Gut, dass er es nicht gemacht hat. Oder doch nicht? Schauen wir mal. Der 2011er Gutswein Riesling halbtrocken ist frisch, hat etwas von einer matschigen Ananas und Nektarinen. Das geht recht gut, ist mir aber etwas zu… naja, halbtrocken. Die 2011er Schloss Proschwitz Spätlese trocken zieht mich dann wieder auf ihre Seite. Die Süße geht mehr in Richtung Honig und auch die Säure kommt nicht zu kurz. So richtig reißt es aber die Spätlese süß raus. Ein Hammer aus einem Meer aus Blütenhonig und Creme. Nicht klebrig, sondern soft und angenehm. Wunderbar, nicht nur für sächsische Verhältnisse.
Jetzt brauche ich eine Pause und verziehe mich in den Nachbarraum. Dort kann man sich von Sternekoch Mario Pattis(http://www.port-culinaire.de/index.php?id=2196) bekoch… Häppchen reichen  lassen. Das Angebot nehme ich gerne an und lasse mich aufs Sofa knallen.

Große und kleine Gewächse

Nun bin ich wieder fit und bereit für die letzte Runde, neues Glück. Spätburgunder 2008 Schloss Proschwitz. Sehr reife Kirschen und Pflaumen. Ziemlich komplex und lang. Aber vielleicht hier und da etwas zu eckig. Das Holzfass ist gut versteckt. Der 2009er aus der gleichen Lage ist etwas cremiger, runder, hat aber dafür mehr Rauch im Kessel.
Gekrönt wird das Ganze von einen 2009er Schloss Proschwitz Spätburgunder Großes Gewächs. Der ist noch einmal einen Zacken cremiger, würziger und marschiert stark in die Richtung Burgunderstil à la France. Lässt aber die „kleinen Gewächse“ keinesfalls wie Deppen da stehen. Das ist schick.
Ich bin durchaus angetan, so sehr das ich auch aufgeschnappte Gesprächsfetzen wie „Echt ma, ich finde den …. im Tetrapack auch echt lecker. (Anmerkung: Kein Wein von Schloss Proschitz gibt es im Tetrapack)“ links liegen lassen kann.
Ich spare mir die Dornfelder, den Elbling, den Goldriesling… und mache den Sack zu. Mit einem „Portos“, dem Port… Likörwein aus dem Hause Proschwitz lasse ich die Runde draußen im Park ausklingen. Immerhin ist da neben Frühburgunder auch Dornfelder drin. Fünf Jahre im Barrique und einer Menge Trockenpflaumen und Mon Chéri-Kirschen. Nicht zu sprittig, aber mit 18 Umdrehungen immer noch locker ausreichend um daran auch an einem sonnigen Vorfrühlingstag im Schlosspark Freude zu haben.

Hinweis: Da die meisten Weine bisher nur Fassproben sind und frühestens ab Apri/Mai erhältlich sind, kann man sich die Wartezeit durchaus mit dem „Portos“ versüßen…

(Dieser Artikel ist so oder in ähnlicher Form vorher auf captaincork.com erschienen.)



Noch mehr Zeug ...