Karpatská Perla: Exote Ugly?

KP

Die ProWein 2012 in Düsseldorf ist Geschichte. Inzwischen ist selbst der letzte Besucher wieder unter seinen Stein zurückgekrabbelt. So wie meine Wenigkeit. Ich liege hier im sonnigen Elbetal und kämpfe gegen ein aufkommendes Fernweh. Raus aus dem Tal der Ahnungslosen, rein in die Welt. Ab in den Süden. Auf zu neuen Ufern. Jetzt? Schon wieder? Mein Ausflug nach Düsseldorf hat mich wieder daran erinnert, dass es auch Weinbau in Osteuropa gibt. Und gar nicht so weit weg von mir, direkt vor meiner Haustür. In zwei Ländern, welche früher mal Tschechoslowakei hießen. Jetzt nennt man es  hier Tschechien, ein merkwürdiges Konstrukt. Dieser Zungenklops wird benutzt um nicht in ein Vokabular zu verfallen, welches an die Zeiten erinnert als in Deutschland noch Österreicher etwas zu sagen hatten. Das andere Land nennt man Slowakei, hier ist das komischerweise kein Problem.
Also organisiere ich mir ein Auto. Einen 20 Jahre alten Saab 900, das einzige Auto welches der Captain als Dienstreisefahrzeug durchgehen lässt.
Also ab in den Süden, vorbei an Böhmen. Der Jahrgang 2011 aus der Gegend um Prag ist praktisch komplett erfroren. Kaum Menge, eher bescheidene Qualität. Da komme ich später mal wieder vorbei. In Mähren sieht es zwar besser aus, aber auch die Region muss warten. In der Nähe von Bratislava könnte ich abbiegen, Wien ist nicht weit. Aber ich drehe das Lenkrad nach links, alte Gewohnheit von früher.

Ein Weingut mit Turm

Es geht weiter in Richtung Karpaten. Das ist allerdings keine große Kunst, die ganze Slowakei besteht aus Karpaten. Irgendwie. Ich komme an einem Ort vorbei der sich Šenkvice nennt. Richtig, früher einmal Schenkwitz, halb Kleinschenkwitz und halb Großschenkwitz. Der Ort hat es nicht in die Weltgeschichte geschafft, aber es gibt einen Turm der zu einem Weingut gehört. Das mag zwar Assoziationen zu Château Latour wecken, die verfliegen aber recht schnell. Dieser Turm ist nicht annähernd so charmant und auch ziemlich neu. Aber immerhin hat man einen guten Blick über die Gegend.
Ich bin im Weingut „Karpatská Perla“, zu deutsch Karpatenperle. Ja, auch ich hätte einen anderen Namen gewählt. Aber gut, immerhin ist das Weingut rund 80 Jahre alt und wurde von Familie Zaruba gegründet. Bis 1948, dann wurde auch hier, wie praktisch überall in der Tschechoslowakei das Weingut enteignet.
Seit 1991 drehen sich die Uhren wieder anders, die Zarubas bekamen ihr Land zurück. Einige Zeit später und unter der Leitung von Ladislav Sebo und Frau Margita Sebowa und unter dem Namen „Karpatská Perla“ ging es aufwärts. So gut und auf rund 46 Hektar angewachsen, dass man sich gleich ein neues Weingut hinsetzen konnte. Dazu gehört nicht nur der oben genannte Turm, auch Verwaltungsgebäude und Weinkeller sagen: Ja, uns geht’s gut. Das ist sicher kein Wunder, denn nach wie vor werden über 90 Prozent der slowakischen Weinflaschen im Lande leer gemacht. Das bringt zwar Sicherheit, erzeugt aber oft auch gewisse Eigenheiten. Das sind im schlechteren Fall bescheidene Qualitäten, im besseren Fall regionale Besonderheiten. Und die finde ich auch bei „Karpatská Perla“.

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Unter alten Bekannten wie Grüner Veltliner, Cabernet Sauvignon, St. Laurent , Chardonnay, verstecken sich André, Devin und Alibernet…  Wie? Was? Alibernet. Was nach einer Küchenfirma klingt ist eine Kreuzung aus Alicante Bouschet und Cabernet Sauvignon. Selbige wurde 1950 in der Ukraine von Josef Stalin persönlich in Auftrag gegeben. Ok, Ukraine stimmt, Stalin nicht. Ziel war eine Sorte die Pilzresistent und winterhart sein sollte. Uh, oh.
Aber ich mag Exoten, also her damit.

Ein Ukrainer in der Slowakei

Ich greife zum 2008er Varieto Alibernet Spätlese. In der Nase werde ich an ein Aroma erinnert, welches in mir Assoziationen zu einem warmen Pflaumenkuchen weckt. Das verschwindet aber recht schnell, ebenso der Gedanke das auch einige dunkle Johannisbeeren dabei gewesen sein könnten. Im Mund passiert erst einmal gar nix. Ziemlich ungewohnt. Doch dann, nach zwei bis drei Sekunden bläst sich dann ein kleiner Ballon auf, Da sind sie dann die dunklen Früchte, der Cabernet Sauvignon blickt durch. Von sechs Monaten Barrique merkt man aber nicht wirklich was. Ebenso wenig von etwas, was der Begriff Spätlese assoziieren könnte.
Exot Nummer zwei ist etwas einfacher zu nehmen. Eine Etage unter dem Varieto kommt die Linie Jagnet. Die darf auch etwas jünger daher und auch mit einen Schraubverschluss kommen. Ich greife zum 2010er JAGNET Muškát Moravský, einen Mährischen Muskat. Oh ja, in der Nase Muskatnuss. Muskatnuss, Herr Müller . Dazu kommt dezent eine reife Honigmelone und etwas Mango. Das gleiche kitzelt dann auch meinen Gaumen. Sehr trocken, sehr angenehm. Nix süß, kein Muskateller wie man ihn hier erwarten würde. Easy trinking, im besten Sinne. Und das ist auch gut so…
Doch dann wache ich auf. Mit dem Glas in der Hand, wie so oft. Ist alles nur ein Traum gewesen? Oder war es doch Realität? Keine Ahnung, aber immerhin war es kein Albtraum.

(Dieser Artikel ist so oder in ähnlicher Form vorher auf captaincork.com erschienen.)



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