Sachsenwein 2014. Die bleierne Zeit
Beginnt jetzt die aufregungsfreie Zeit? Der Lokführerstreik ist durch. Die Mauerfall-Feiern sind durch. Biermann im Bundestag ist bis zum nächsten November in den Archiven verschwunden.
Da ich mich aber gerne aufrege, muss ich mir etwas anderes aussuchen. Nehmen wir doch was mit Wein. Die Wahl zur Sächsischen Weinkönigin? Nicht wirklich. Aber sächsischer Wein ist eine gute Idee. Der Einfachheit halber.
Macht das Sinn? Es ist doch alles pipifein. Für die Eigenwerbung ist der sächsische Wein nicht nur eine Rarität, er ist Klasse. Weltniveau! Das haben selbstredend auch die gedruckten Weinmedien mitbekommen. Mal ist der „Wein aus dem Osten so gefragt wie nie“ und im aktuellen Gault Millau wird er sich sicherlich wieder „im Aufwind“ befinden.
Dabei liegen die Kollegen gar nicht so falsch damit. Natürlich hat sich in Sachsen etwas getan. Kann man ja auch erwarten. So nach 25 Jahren. Es gibt inzwischen eine Spitzengruppe von Weingütern, welche beim Vergleich mit anderen Weinanbaugebieten nicht die Köpfe einziehen muss. Gar nicht.
Zimmerling, Schwarz, Proschwitz… Klar, wir kennen doch alle die Namen.
Doch, leider, es sind immer wieder die gleichen. Die gleiche Spitze, die gleichen Hoffnungsträger. Die Zugpferde galoppieren vorneweg und der schwere Wagen mit dem Rest hängt selbstzufrieden hinten dran. Initiative? Das machen die Anderen schon.
Bei allen Hochglanzbildern, das ist die Realität.
Und dies hat mehrere Gründe. Zum einen, es gibt eigentlich keine neuen Weinbergsflächen für Neugründungen oder Betriebserweiterungen. Die Europäische Union deckelt die Fläche für das Weinanbaugebiet Sachsen. Einen Betrieb gründen und neue Reflächen anlegen? Praktisch unmöglich. Ein Auslaufen dieser Beschränkungen war geplant, wurde aber nicht zuletzt durch fleißige Lobbyarbeit aus Deutschland verhindert.
Dummerweise sind die für Sachsen zugeteilten rund 500 Hektar praktisch komplett belagert. Aber nur zum geringen Teil durch die ungefähr zwei dutzend mehr oder weniger professionell arbeitenden Weinbaubetriebe. Diese teilen sich nicht einmal 10% der Flächen. Den Hauptanteil bespaßen rund 2500 Hobby- und Nebenerwerbswinzer.
Selbst seeeehr vorsichtig agierende Lokalpolitiker sprechen von einem zusätzlichen Bedarf von etwa 100 Hektar für Sachsen. Und das schmeckt natürlich nicht jedem Winzer. Mehr Fläche, mehr Kollegen, das riecht nach mehr Konkurrenz. Dann vielleicht doch lieber nicht.
So hütet sich die Politik, offensiv bei anderen Anbaugebieten anzuklopfen, um nach ungenutzten Rebrechten zu fragen. So was geht nämlich.
Aber, ich erinnere nur an den Shitstorm, welcher unter Thüringer Winzern losbrach, als sich Prinz zur Lippe die Rechte für 40 Hektar Thüringer Weinberge in Württemberg organisierte.
Also bleibt es in Sachsen wohl wie es ist . Will man sich doch ernsthaft als Winzer versuchen, und kann kein Gut übernehmen, schließt man sich mit etwas Glück zu einer Notgemeinschaft zusammen oder schaut in die Röhre und widmet sich dem Gesellschaftstanz.
Hinzu kommen noch zwei weitere Dinge, die nur auf den ersten Blick grotesk erscheinen. Zum einen, der Wein verkauft sich inzwischen doch nicht immer wie geschnitten Brot. Die Weinkeller sind bei einigen Winzern besser gefüllt als es man hier und da laut zugeben mag. Die Jahrgänge sind längst kein Durchlaufposten mehr. Zumindest bei den etwas größeren Gütern. In dem Fall braucht man auch kein Insiderwissen, da genügt ein aufmerksamer Gang über diverse Weinfeste.
Da wird man schon mal kreativ. So behaupte ich mal, auch in diesem Jahr dürfte es wieder reichlich original sächsischen Winzerglühwein geben. Das war bis vor ein paar Jahren noch ganz anders.
Hinzu kommt, der sächsische Wein hat einen Fleck auf der Weste. Er gilt als teuer, viel zu teuer. Warum das so wäre, wird immer wieder gefragt. Richtig erklären kann oder will das aber niemand. Gerne wird der enorme Arbeitsaufwand durch die Steillagen und die damit verbundene Handarbeit gewählt. Klingt plausibel, aber nur für jemanden der noch nie an der Mosel war.
Bislang war das offensichtlich kein großes Problem. Die Zielgruppe sind Touristen, da wird alles glasweise reingekippt. Und wenn man richtig einen in der Birne hat, packt man auch mal eine teurere Flasche Goldriesling ein und nimmt sie mit zu Tante Dörte nach Wuppertal. Ist ja Urlaub und schön sowieso.
Natürlich wird auch der Eingeborene hin und wieder schwach. Es sitzt sich ja tatsächlich schön ist den diversen Straußwirtschaften. Müller, Elbhang? Klar! Und bei den Flaschen greift man aber doch eher mal zu Alternativen aus’m Westen/Süden.
Aber all das reicht offensichtlich nicht mehr um genügend Wein unters Volk zu bringen.
Und nun? Merkel-Prinzip? Einfach weiter aussitzen?
Es gibt nur einen Weg: Qualität. Nur bedingungslose Qualität wird Sachsen als Weinanbaugebiet langfristig voranbringen. Wenn die Weinqualität auch in der Breite (mehr) den Preisen entspricht, wird auch (fast) niemand mehr (darüber) meckern. Und die Winzer müssen sich nicht mehr ständig das Gefühl haben, sich via Bild oder Mopo entschuldigen zu müssen.
Auf den Weg zur Qualität würden auch neue Flächen führen. Keine ein, zwei Hektar pro Jahr. Nein, her mit den 100 Hektar! Alles was zu kriegen ist. Um den Nachwuchs zu halten und ernsthaften Erzeugern eine Chance zu geben. Jetzt!
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